In dieser Saison begibt sich ETRO auf eine homerische Reise. Marco De Vincenzo bevorzugt Beweiskarten alter Stoffe gegenüber Reiseplänen und interpretiert gleichzeitig die Vergangenheit von ETRO. Die Sedimation, in der man jedes Mal etwas von sich selber trifft.
Die Coed-Kollektion hatte einen fast düsteren Unterton, als ob De Vincenzo versucht hätte, eine dunklere Seite von Etro zu entdecken und die Marke auf eine unerforschte Reise der Selbstentdeckung mitzunehmen.
Die Farben waren gedämpft und reichten von sinnlichen Erdtönen bis hin zu den faszinierenden Tiefen von Pechschwarz – eine Premiere für Etro, denn Schwarz galt schon immer fast als Anathema, das der Hingabe des Labels an chromatische Überschwänglichkeit fremd war.
Aber De Vincenzo ist experimentierfreudig und fühlt sich selbstbewusst und reif genug, neue Wege zu gehen. Er scheut sich nicht, gelegentlich das Ungewöhnliche zu hofieren, und seine Vorliebe für Skurrilität kann sowohl beunruhigend als auch überraschend frisch sein.
Die texturierte und aufwendig gestaltete Kollektion mit ihren übereinander geschichteten Motiven und den aufwendigen Oberflächenbehandlungen, überlagerten Mustern, Verzierungen und Stickereien war ganz im Sinne von Etro und doch meilenweit von der romantischen Boho-Erzählung entfernt.
De Vincenzos Ansatz ist viel radikaler und unapologetischer. Die Silhouetten wurden fließend und unstrukturiert gehalten, doch die Drapierungen und das Spiel mit Asymmetrien waren ein kühnes Statement, das durch übergroße Schnitte mit Präsenz und Mut kontrastiert wurde.
“Ich habe das Bedürfnis verspürt, die Messlatte höher zu legen”, so De Vincenzo. “Ich spüre um mich herum den Wunsch nach mehr Intensität in der Mode, nach einer Kreativität, die sich nicht rechtfertigen muss, sondern einfach sein kann, die nicht nach Perfektion, sondern nach emotionalem Ausdruck sucht.”