Walter Lange wäre heute, dem 29. Juli 2024, einhundert Jahre alt geworden. Mit der Neugründung der Lange Uhren GmbH am 7. Dezember 1990 gelang es ihm nicht nur, die weitreichende uhrmacherische Tradition seiner Familie nach über 40 Jahren Zwangspause neu zu beleben, sondern den Weg für die Renaissance der 1845 von seinem Urgroßvater begründeten sächsischen Feinuhrmacherei zu ebnen.
Walter Lange (29. Juli 1924 – 17. Januar 2017)
Für seine herausragenden Verdienste um die Glashütter Uhrenindustrie wurde Walter Lange, der A. Lange & Söhne bis zu seinem Tod am 17. Januar 2017 als Repräsentant und Botschafter eng verbunden war, vielfach geehrt. Immer in Erinnerung bleiben wird eine charismatische Persönlichkeit, weltoffen und warmherzig, bescheiden und bodenständig – trotz des Erfolgs. Walter Lange ging auf andere zu und begegnete ihnen auf Augenhöhe. Mit seinem Verständnis von verantwortungsvollem Unternehmertum und seinem Engagement, zum Beispiel für den Uhrmachernachwuchs, prägt sein Vorbild die Unternehmenskultur von A. Lange & Söhne bis heute.
Behütete Kindheit und grausame Kriegszeiten
1924 in Dresden geboren, verbrachte Walter Lange als viertes Kind von Rudolf und Hildegart Lange eine behütete Kindheit in Glashütte, die dennoch von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise geprägt war. Der Anblick der Arbeitslosen vor dem Lange-Stammhaus brannte sich tief in ihm ein – später wurde er zum Antrieb seines Handelns. Dass Walter Lange Uhrmacher werden würde, stand für ihn außer Frage. Oft begleitete er seinen Vater Rudolf in die Fabrik, um die fertigen Chronometer zu prüfen. Nach der Volksschule in Glashütte und der Mittleren Reife, die er in Dresden ablegte, begann er im Frühjahr 1941 eine Uhrmacherlehre im niederösterreichischen Karlstein, an der Schule der Uhrenindustrie. Nur ein Jahr später, im Sommer 1942, folgte eine jähe Unterbrechung: Mit 18 Jahren wurde Walter Lange zum Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg einberufen. Er überlebte – wie er stets betonte – nur mit großem Glück. Am 7. Mai 1945 kehrte er schwer verwundet nach Hause zurück. Doch sein Glück war nicht von Dauer: Glashütte wurde am letzten Kriegstag, am 8. Mai 1945, bombardiert. Die „Werft“, wie man das Hauptproduktionsgebäude von A. Lange & Söhne auch bezeichnete, wurde schwer beschädigt. Was übrig blieb, beschlagnahmten die sowjetischen Besatzer. Darunter Uhren, Bauteile und Maschinen sowie auch geistiges Eigentum, wie beispielsweise eine detaillierte Dokumentation der Fertigung des Lange-Marinechronometers, die Walter Lange selbst anfertigen musste.
Neue Hoffnung nach dem Krieg – die erste Armbanduhr
Die Menschen in Glashütte machten sich umgehend an den Wiederaufbau. „Wir hatten keine andere Wahl“, erzählt Walter Lange in seinen Erinnerungen „Als die Zeit nach Hause kam“, die nun anlässlich seines 100. Geburtstags aktualisiert und erweitert erscheinen. „Die Uhrenproduktion war unsere persönliche Existenz und die unserer Stadt.“ Nach intensiven Diskussionen innerhalb der Familie begann 1947 der Verkauf des „Kalibers 28“, ein Armbanduhren-Werk, das auf Basis des bis dahin produzierten Taschenuhrkalibers 48 konstruiert wurde. Aber schon 1948 machte die Enteignung und die Umwandlung in einen Volkseigenen Betrieb (VEB) auf Anordnung des SED-Regimes die Zukunftspläne der Familie Lange zunichte. Nach der Zwangsverpflichtung in den Uranbergbau flüchtete Walter Lange im November 1948 nach Pforzheim, wo seine Versuche, eine neue Uhrenfertigung zu gründen, wenig erfolgreich waren. Bis zu seiner Pensionierung 1986 blieb Walter Lange der Uhren- und Schmuckindustrie als Handelsvertreter treu. Immer hoffte er, dass er Lange in Glashütte wiederbeleben könnte – daran geglaubt hat er nicht.
„Wir mussten noch einmal bei Null anfangen“
Als sich durch die deutsche Wiedervereinigung die historische Chance bot, zögerte Walter Lange nicht. „Der 7. Dezember 1990 gehörte zu den bedeutendsten Tagen meines Lebens“, erzählte er in einem Interview zu seinem 90. Geburtstag. Im Alter von 66 Jahren meldete er die Lange Uhren GmbH an, „mit der geborgten Postadresse einer früheren Klassenkameradin“. Trotz des Risikos habe es die Familientradition geboten, nach Glashütte zurückzukehren, „um den Menschen hier in einer schwierigen Zeit Arbeit und Perspektive zu geben.“ Die unerschütterliche Vision, A. Lange & Söhne zu neuem Leben zu erwecken, besaß so viel Kraft, dass sie trotz aller Widrigkeiten in Rekordzeit von vier Jahren Gestalt annahm.
Der wichtigste Sparringspartner von Walter Lange war der Unternehmer Günter Blümlein (1943 – 2001), ein charismatischer Stratege, der gleichfalls fest daran glaubte, dass ein Comeback der traditionsreichen Marke möglich sei. Mit einem kleinen, engagierten Team an Konstrukteuren, Uhrmachern und administrativen Mitarbeitern sowie mit finanzieller Hilfe von VDO und LMH (Les Manufactures Horlogères) gelang die überzeugende Antwort auf die Frage, wie eine Lange-Uhr am Ende des 20. Jahrhunderts auszusehen hat. „Uns war von Anfang an wichtig, Uhren zu entwickeln, die in ihrer schlichten, klassischen Erscheinung von höchster Modernität sind,“ so Walter Lange.
Die Legende ist wieder Uhr geworden
Mit großem Gespür für Qualität setzte das dynamische Duo Lange und Blümlein auf die Bewahrung handwerklicher Traditionen und die Entwicklung technischer Innovationen. Die Erstkollektion mit LANGE 1, ARKADE, SAXONIA und TOURBILLON „Pour le Mérite“ wurde am 24. Oktober 1994 im Residenzschloss Dresden vorgestellt: Fachwelt und Uhrenliebhaber waren auf Anhieb begeistert. Die bis dahin fertiggestellten 123 Exemplare wurden allesamt verkauft. Noch viele Produktvorstellungen folgten und nie zögerte Walter Lange, seine Empfehlungen und Erfahrungen zu teilen. Bis zuletzt war er im Gespräch mit Kunden, Pressevertretern und Geschäftspartnern, gab Interviews und berichtete aus seinem Leben. Mit großer Offenheit ging er stets auf alle Menschen zu, auch in Glashütte, wo er ein gerngesehener Gast war.
Dem Uhrmachernachwuchs verpflichtet
Ein besonderes Anliegen von Walter Lange war die Zukunft des Uhrmacherhandwerks. 1997 startete der Betrieb mit zunächst zwei Auszubildenden, heute ist die hauseigene Schule
international anerkannt. Für Anliegen des uhrmacherischen Nachwuchses hatte Walter Lange immer ein offenes Ohr und mit seinem Engagement ist er der jungen Generation noch heute ein Vorbild. Mit der Benennung der hauseigenen Schule in „Walter Lange Aus- und Weiterbildungszentrum“ würdigte die Manufaktur im Herbst 2022 den Namensgeber.
Ehre, wem Ehre gebührt
Insgesamt zehn persönliche Ehrungen nahm Walter Lange zu Lebzeiten entgegen, darunter internationale Auszeichnungen wie den Prix Spécial du Jury des Grand Prix d’Horlogerie de Genève im Jahr 2014, den Lifetime Achievement Award der Fondation de la Haute Horlogerie 2013 – beide in Genf – oder den Caesars Award im Jahr 2011 in Bukarest. Im 175. Jubiläumsjahr der Glashütter Uhrmacherei ehrten die Stadt und A. Lange & Söhne das Lebenswerk von Walter Lange nachträglich. Eine lebensgroße Bronze des Hamburger Künstlers Thomas Jastram wurde am 18. September 2020 vor Gästen aus Politik, Wirtschaft und Presse enthüllt – wenige Schritte entfernt vom Denkmal für seinen Urgroßvater Ferdinand Adolph Lange. Weitere offizielle Ehrungen waren die Ehrenbürgerschaft der Stadt Glashütte 1995, der Sächsische Verdienstorden 1998 sowie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse 2015.
„Er war das Herz unserer Manufaktur.“
Mit diesen Worten erinnert Wilhelm Schmid an Walter Lange. Sein Vermächtnis soll auch in Zukunft bewahrt bleiben. „Walter Lange repräsentierte die Alte Schule im wahrsten Sinn des Wortes. Seine Werte, wie das Uhrmacherische, das Bodenständige, die zurückhaltende und bescheidene Art, hat er nachhaltig mit in die Firma gebracht und verankert, sodass seine Denkweise und sein Handeln nachwirken und unsere Entscheidungen im Unternehmen auch in Zukunft leiten werden”, so der Lange-CEO.
Über A. Lange & Söhne
Der Dresdner Uhrmacher Ferdinand Adolph Lange legte mit der Gründung seiner Uhrenmanufaktur 1845 den Grund- stein für die sächsische Feinuhrmacherei. Seine hochwertigen Taschenuhren sind bei Sammlern in aller Welt noch immer heiß begehrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen enteignet, und der Name A. Lange & Söhne geriet beinahe in Vergessenheit. Im Jahr 1990 wagte Walter Lange, der Urenkel von Ferdinand Adolph Lange, den Neubeginn. Heute werden bei Lange pro Jahr nur wenige Tausend Armbanduhren überwiegend aus Gold oder Platin hergestellt. In ihnen arbeiten ausschließlich im eigenen Haus entwickelte und aufwendig von Hand dekorierte und montierte Uhrwerke. Mit 72 Manufakturkalibern seit 1990 nimmt A. Lange & Söhne eine Spitzenposition in der Uhren- welt ein. Zu den großen Erfolgen zählen die LANGE 1 mit dem ersten Großdatum in einer in Serie gefertigten Armbanduhr und die ZEITWERK mit ihrer exakt springenden Ziffernanzeige. Außergewöhnliche Komplikationen wie die ZEITWERK MINUTENREPETITION, der DATOGRAPH PERPETUAL TOURBILLON oder der TRIPLE SPLIT stehen für das Bestreben der Manufaktur, ihre traditionsreiche Kunst zu immer neuen Höhen zu führen. Die 2019 eingeführte sportlich-elegante ODYSSEUS aus Edelstahl markiert den Beginn eines neuen Kapitels für die Manufaktur.